24. April 2017
Das Bundesarbeitsgericht hat im November 2016 einen für den Arbeitnehmerdatenschutz relevanten Fall entschieden. Ein Busfahrer eines Nahverkehrsunternehmens war laut tarifvertraglicher Regelungen ordentlich nicht kündbar.
Der Arbeitgeber führte für alle Fahrer ein Software-Überwachungssystem ein. Dieses System wertet Fahrereignisse elektronisch aus. So werden Daten wie hochtouriges Fahren, Leerlaufzeitüberschreitungen, scharfes Bremsen, überhöhte Beschleunigung und Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgezeichnet und gespeichert.
Der betroffene Mitarbeiter verweigerte seine Mitwirkung, weshalb der Arbeitgeber nach dreimaliger Abmahnung eine außerordentliche Kündigung aussprach.
Der Arbeitgeber hatte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz dieses Systems unter Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz abgeschlossen, wonach alle Fahrer zur Teilnahme an dem System verpflichtet wurden.
Für die konkrete Ausgestaltung der Teilnahme des einzelnen Fahrers gab es zwei Optionen.
Im Rahmen eines „personalisierten Berichts- und Prämiensystem“ wurden mit Zustimmung des Fahrers dessen Daten personenbezogen gespeichert. Dies war mit einem Prämiensystem verknüpft.
Die zweite Option war die Nutzung eines „anonymisierten Schlüssels“ bei dem die gespeicherten Daten zunächst nicht mit dem Fahrer verknüpft werden. Nur bei erheblichen Abweichungen von den durchschnittlichen Grenzwerten aller Fahrer bei anonymisiert vorgenommenen Vergleichen erfolgt in Abstimmung mit dem Betriebsrat eine Zuordnung der gespeicherten Daten zum einzelnen Fahrer.
Nach der Betriebsvereinbarung soll damit ein etwaiger Schulungsbedarf für die betroffenen Fahrer ermittelt werden. Dass ein Fahrer an dem System nicht teilnimmt, war in der Betriebsvereinbarung nicht vorgesehen.
Der betroffene Fahrer verweigerte jede Art der Teilnahme an dem System, ausdrücklich auch die anonymisierte Variante und wurde deshalb insgesamt drei mal abgemahnt. Da trotz der 3 Abmahnungen die Weigerung des Fahrers aufrecht erhalten wurde, kündigte der Arbeitgeber dem Kläger daraufhin außerordentlich hilfsweise mit einer verlängerten Auslauffrist.
Die Kündigung mit verlängerter Auslauffrist wurde vom Bundesarbeitsgericht bestätigt. Das Arbeitsgericht hatte noch zugunsten des Mitarbeiters entschieden. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die ordentliche Kündigung. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte diese Entscheidung des LAG.
Es sah in der Verweigerung des Arbeitnehmers, den anonymisierten Schlüssel zu verwenden, eine beharrliche Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Leistungspflicht, was einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt.
Nach Auffassung des Gerichts ergab sich die Verpflichtung zumindest zur Teilnahme am anonymisierten Verfahren zum einen aus der Betriebsvereinbarung.
Des weiteren ergäbe sich diese Pflicht des Fahrers aber auch aus § 32 Abs.1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Danach können die Daten eines Beschäftigten dann für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Gerichts hier vor.
Die Interessenabwägung wurde hier zugunsten des Arbeitgebers vorgenommen. Dessen berechtigtes Interesse, mittels des eingesetzten Systems die Busfahrer zu einer vorausschauenden und sparsamen Fahrweise anzuhalten, betrifft unmittelbar die geschuldete Arbeitsleistung und damit die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses.
Die verfolgten Ziele der Reduzierung des Kraftstoffverbrauch und der Steigerung der Kundenzufriedenheit wurden als ökonomisch vernünftig im ökologischen Interesse der Allgemeinheit liegend anerkannt. Das zu verwendende System und die dafür erforderliche Teilnahme der Fahrers war auch geeignet, diese Ziele zu erreichen. Zudem wurde festgestellt, dass die angestrebten Ziele nur dann erreicht werden können, wenn alle Busfahrer am System teilnehmen, da nur dann belastbare Durchschnittswerte aller Busfahrer ermittelt werden können. Dies wiederum ist Voraussetzung für die Feststellung, ob bei einzelnen Busfahrern relevante Abweichungen vorliegen.
Auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung fiel zugunsten des Arbeitgebers aus. Der Einsatz des Systems beeinträchtige zwar das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Fahrers. Allerdings steht dies nicht außer Verhältnis zu den legitimen Interessen des Arbeitgebers. Eine „Dauerüberwachung“ liege nicht vor, da nicht das gesamte Fahrverhalten kontrolliert werde. Es würden nur Daten zu bestimmten Fahrmanövern gespeichert, dies zudem nur zur Ermittlung der Durchschnittswerte. Erst wenn sich erhebliche Abweichungen vom Durchschnitt ergeben, werden die Daten dem einzelnen Fahrer zugeordnet.
Dem Arbeitgeber war es hier nach Auffassung der Richter nicht zuzumuten, die Weigerung des Klägers hinzunehmen, da er damit die benötigten Durchschnittswerte für alle Fahrer nicht ermitteln kann, solange der Kläger bei ihm arbeitet. Entsprechend blieb nur die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung. Dass eine ordentliche Kündigung nicht möglich war, ist durch die Einräumung einer Auslauffrist ausreichend berücksichtigt.
Wichtig ist, dass diese Entscheidung ihre Bedeutung auch über den 25.05.2018 hinaus behält, wenn Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft tritt.
Eine Betriebsvereinbarung ist eine Kollektivvereinbarungen, die auch nach der DSGVO spezielle Vorschriften für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten regeln kann. Der nationale Gesetzgeber hat zudem auch nach Art. 88 DSGVO die Möglichkeit, Einzelaspekte des Arbeitnehmerdatenschutzes auf nationaler Ebene zu regeln, soweit die Vorgaben der DSGVO eingehalten werden.
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